Eine winzige Insel in der Karibik, nur 94 Quadratkilometer, aber zwei Länder, das ist Sint Maarten – Saint Martin. Meine Heimat seit dreißig Jahren.
Die südliche Hälfte gehört zum Königreich der Niederlande, ist aber nicht Teil der EU, der Norden ist eine französische Kommune und damit Teil der EU. Die Grenze ist komplett offen und führt damit die Brexit-Problem-Szenarien einer offenen EU Grenze in Nordirland ad absurdum.
Wir leben vom Tourismus. Alle – aber nicht alle wissen es. Denn es gibt natürlich Angestellte im öffentlichen Dienst und andere Einkommensnischen, die den Zusammenhang ihres Gehaltes in Verbindung zur allgemeinen Wirtschaft nicht verstehen.
Die Kreuzfahrtschiffe machten ein Drittel des Inseleinkommens aus. Hotel und Ferienhausübernachtungen den anderen Teil und besonders wichtig: die Yachtindustrie, denn St. Maarten ist ein Anlaufhafen für die größten Yachten der Welt.
Ich vermute, dass ‚meine‘ Insel von 150.000 Menschen bewohnt wird. Davon ist ein Drittel ‚undokumentiert‘. In Deutschland würden einige diese Leute ‚Wirtschaftsflüchtlinge‘ oder ‚Illegale Einwanderer‘ nennen. Hier in der Karibik habe ich verstehen gelernt, dass das Glück der Geburt im richtigen Teil der Welt ein unverdientes Privileg ist. Unsere ‚Wirtschaftsflüchtlinge‘ hier auf Sint Maarten sind ein elementarer Teil der Wirtschaft und werden mit Stundenlöhnen von unter fünf Dollar wie Sklaven ausgebeutet. Und dennoch geht es ihnen hier besser als in ihren Heimatländern: Haiti, Guyana, Jamaika.
2017 wurden wir von einem Hurrikan getroffen. Schlimmer, als je ein Hurrikan eine Region zerstören konnte. Über 300 Kilometer pro Stunde Windgeschwindigkeit zerstörten oder beschädigten 90 Prozent der Gebäude. So sieht es nach einem Krieg aus.
Wir Unternehmer auf der Insel haben unsere Reserven genommen, und unsere Geschäfte wiederaufgebaut. In meinem Falle ergänzte ich mein Insel-weit-führendes Online Portal St-Maarten.com mit einer gedruckten Wochenzeitschrift für die Touristen, die uns noch besuchten. Alle anderen Publikationen hatten aufgegeben.
Es war das Jahr 2020, in das wir alle Hoffnungen gesetzt hatten. Finanziell ausgeblutet von den Jahren 2018 und 19 waren wir Unternehmer erleichtert, dass endlich wieder zahlreiche Resorts renoviert und geöffnet hatten. Es sah gut aus, die amerikanischen Touristen kamen zurück.
Doch dann: Corona.
Sowohl auf der holländischen wie der französischen Seite der Insel wurde von den Regierungen Panik geschürt. Da war wohl eine neue Pest im Anmarsch, vermuteten wir alle. Lockdown, keine Touristen, Ausgangsverbote … alles, so wie bekannt aus Europa. Mit einem kleinen Unterschied: wir waren platt vom Hurrikan 2017. Arbeitnehmer, Unternehmer – egal. Plötzlich ging es nur noch darum, genug Geld zu haben, um Lebensmittel einzukaufen. Wer ein bisschen mehr Geld auf der hohen Kante hatte, half den Familien, die nicht mehr einkaufen konnten. Das ist unser soziales Netz in der Karibik.
Die Monate zogen sich dahin, diejenigen mit mehr Geld auf dem Bankkonto waren nun auch ausgeblutet. Das Rote Kreuz und die fantastische Tzu Chi Foundation (Chinesische Alternative zum Roten Kreuz) ernährten inzwischen einen großen Teil der Bevölkerung.
Nach einigen Monaten war klar: Die veröffentlichten Zahlen zu dieser neuen Pest standen in keinem Verhältnis zu den Restriktionen. Unsere Insel ist klein: Keiner kannte irgendjemanden mit ‚Corona‘. Keiner kennt jemanden, der an der Seuche gestorben war. Ja, wir kannten den armen Mann, dessen Brust bei einem Autounfall eingedrückt worden war und der starb. Corona positive, wie sich herausstellte und er war damit Teil der Statistik. Ja, wir kannten den sympathischen Dicken, der mittlerweile 200 Kilogramm wog und kaum noch den Weg zum Auto schaffte. Als sein Herz stoppte, war er ein weiterer Corona-Fall.
Doch die Panikmache ging weiter. Da die französische Seite zentral von Paris verwaltet wird, wurden im Sommer urplötzlich die Grenzen zur holländischen Seite geschlossen. Zum ersten Mal seit 370 Jahren und in Verletzung des ältesten internationalen Vertrages unserer Welt. Familienmitglieder konnten einander nicht mehr besuchen. Nach einiger Zeit revoltierte die Bevölkerung, ging auf die Straße. Schließlich mussten die Behörden einlenken und die Grenzkontrollen verschwanden.
Die veröffentlichten Statistiken waren so absurd, dass es für die aufgeweckten Bewohner der Insel, die nicht von einer Coronaphobie befallen worden waren, offensichtlich wurde: diese Pandemie ist ein Konstrukt einiger Interessenträger. Die Statistiken zeigen, dass das Risiko, im holländischen Süden der Insel an Covid-19 zu sterben dreimal so hoch ist wie im zwei Kilometer entfernten französischen Teil. Dadurch wissen wir hier, dass diese Statistiken Müll sind.
Februar 2021: Der internationale Flughafen ist offen. Amerikanische Touristen besuchen die Insel, trotz der umständlichen Tests, die sie produzieren müssen. Der Inhaber des führenden medizinischen Labors der Region ist der Wissenschaft verpflichtet und nicht seinem Portemonnaie. Fast alle PCR Tests werden hier abgewickelt, mit einem seriösen CT Faktor von maximal 28. Als dieser Arzt und Biologe hört, dass in Deutschland bis zu einem CT-Wert von 40 gearbeitet wird, ist er schockiert. Damit kann man die Zahlen manipulieren, wie man will, sagt er.
Mai 2021: Normalität kehrt ein. Die Resorts sind offen und die Urlauber kommen wieder, meist aus Nordamerika, wo es kaum noch Einschränkungen gibt. Ich beobachte ein weiteres Phänomen: Wohlhabende Flüchtlinge aus Deutschland lassen sich hier nieder, um wie normal - wenn nicht sogar viel besser - leben zu können.